Wir wollen Ihnen im Folgen an Hand einiger, aus unserer Sicht exemplarischer Beispiele verdeutlichen, was wir darunter verstehen, wenn wir von „Intuition trifft Verstand“ sprechen.
Erschrecken Sie nicht, wenn hier relativ viel Text auf Sie zu kommt, manches lässt sich eben nicht in wenigen Worten erklären.
Systemische Verschiebung im Familienbetrieb
In einem Familienbetrieb in der 3. Generation haben der Geschäftsführer und seine Schwester einen zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme insofern hoch eskalierten Konflikt, als die Geschwister kein Wort mehr miteinander sprechen. Die Schwester des Geschäftsführers ist in diesem großen Weinbaubetrieb zwar nicht operativ tätig, sie besitzt aber einen großen Anteil der Weingärten. Dies gibt ihr die Macht, Entscheidungen des Geschäftsführers zu sabotieren.
Auch in der nächsten, der vierten Generation scheint sich dieses Muster fortzusetzen: Alle vier Kinder des Geschäftsführers waren zunächst gemeinsam im Betrieb tätig. Mittlerweile spricht eine der Töchter des Geschäftsführers kein Wort mehr mit ihrem Bruder, der den psychischen Druck nicht ausgehalten hat und aus dem Betrieb ausgeschieden ist.
In den letzten Jahren gab es mehrere Mediationsversuche verschiedener Beratungsfirmen, die alle erfolglos abgebrochen wurden.
Als wir den Auftrag annahmen war uns klar, dass wir
a) nicht mehr viele Versuche hatten, und
b) die Konfliktparteien inzwischen ziemlich beratungsresistent waren. Vor allem aber war uns schnell bewusst, dass wir
c) nicht der Versuchung erliegen durften, als die „besseren Berater“ (besser als unsere Vorgänger) aufzutreten. Wir nahmen an, dass es weder an den Konfliktberatungsmethoden noch an der Qualität der früheren Berater*innen scheiterte.
Uns schien folgende Frage ganz zentral: Für wen im System macht dieses destruktive Muster, welches bereits über mehrere Jahrzehnte und mehrere Generationen wirkt, einen Sinn?
Wir entschieden uns also, vorerst keine weiteren Mediationsprozesse vorzuschlagen. Stattdessen schlugen wir eine Systemaufstellung vor, im ersten Schritt mit dem Geschäftsführer alleine.
Bei einer Systemaufstellung werden die wesentlichen Elemente der Organisation (wie z.B. Geschäftsführung, Miteigentümer, wesentliche Mitarbeiter, Produkt, Markt etc.) im Raum aufgestellt. Dadurch werden Dynamiken sicht- und erlebbar, intuitive Lösungen können entwickelt werden. Durch die Systemaufstellung wurde deutlich, dass es sich um eine „Verschiebung im System“ handelte: Der Großvater (des Geschäftsführers) und seine Schwester hatten den Weingarten und Hof erworben und gemeinsam den Betrieb geführt. Der Großvater hatte später seine Schwester massiv hintergangen, betrogen und vom Hof vertrieben. Die Verschiebung im System gestaltet sich folgendermaßen: Der jetzige Geschäftsführer ist auf unbewusster Ebene dem Großvater loyal, seine Schwester unbewusst deren Großtante. Anders formuliert könnte man auch sagen: Die Schwester tut unbewusst(!) alles, um nicht ein ähnliches Schicksal zu erleiden wir ihre Großtante. Kann man das so sagen?
Mit einer herkömmlichen, klassischen Konfliktberatung lässt sich so ein Konflikt nicht lösen. Warum? Weil den Konfliktparteien die systemische Verschiebung, in dem Fall die Übernahme alter Muster, nicht bewusst ist.
Wie kam es dann zu einer Lösung?
Wir konnten sehr anschaulich bewusst machten, dass der Konflikt nicht zur jetzigen Generation gehört, sondern zur Generation des Großvaters. Ein Konflikt wie dieser beruht auf unbewusster Loyalität und entzieht sich deshalb logischen Argumenten . Erst indem diese Loyalitäten sichtbar wurden, konnten in weiterer Folge klärende Vereinbarungen getroffen werden. Zumindest zwischen Geschäftsführer und seiner Schwester. Was die vier Kinder des Geschäftsführers anbelangt, ist der Prozess noch nicht abgeschlossen. Wir werden berichten.
Team-Entfremdung
Zwei IT-Teams unterschiedlicher österreichischer Konzerne, acht bzw. elf Personen stark, die formal zwar in einem Kunden-Lieferanten-Verhältnis stehen, tatsächlich aber gemeinsam komplexe Portal-Produkte entwickeln (müssen) und somit hochgradig voneinander abhängig sind, standen nach ca. zweijähriger Zusammenarbeit an einem Punkt, an dem die Entwickler*innen de facto entweder nicht mehr oder nur noch in Form gegenseitiger Schuldzuweisungen miteinander sprachen. Wenn überhaupt, fand Kommunikation nur noch über den jeweiligen Teamleiter und ausschließlich schriftlich statt.
Die jeweiligen Abteilungsleiter der beiden Teams traten mit der Bitte an uns heran, einen letzten(!) Versuch zu starten, die Teammitglieder miteinander zu versöhnen. Wenn durch diese Maßnahme keine deutlich spürbare Veränderung erfolge, werde der Dienstleistungsvertrag gelöst und die Zusammenarbeit beendet. Wir verständigten uns darauf, zwei mal einen Tag mit den beiden Teams zu verbringen.
Aus den Vorgesprächen mit den Abteilungsleitern vermuteten wir, dass es einzelne Personen gab, die stark polarisierten und (schlechte) Stimmung erzeugten, und so schien es uns essenziell, gerade zu Beginn der Klausur die Teams einmal „als Ganzes“ (und nicht nur einzelne Personen) zu hören. Wir wählten eine Sonderform der Fishbowl, und jedes Team nahm einmal im Inneren Platz und beantwortete folgende Fragen: Was hat aus unserer Sicht dazu geführt, dass wir heute hier sitzen? / Wie geht es uns mit der augenblicklichen Situation? / Was erzählt das andere Team wohl über uns, was mit uns besonders schrecklich oder schwierig ist? / Wenn wir uns etwas wünschen könnten, was wäre das?
In dieser ersten Runde zeigte sich, dass beide Teams durchaus ähnliche Antworten auf die gestellten Fragen hatten, wie auch die geäußerten Wünsche überraschend ähnlich waren.
Dieser hohe Grad an Übereinstimmung war für uns dann ausschlaggebend, gar nicht weiter in der gemeinsamen Geschichte zu „wühlen“ und dadurch Schuldige für was auch immer zu produzieren, vielmehr adressierten wir das intuitive Wissen der Teilnehmenden, indem wir sie auf Flipchart zeichnen ließen, wie eine gemeinsame Zukunft beider Teams aussehen könnte.
Auch hier zeigte sich wieder ein hohes Maß an Übereinstimmung zwischen den beiden Teams, und die Stimmung wurde spürbar entspannter, sodass wir einerseits mit der ganzen Gruppe gemeinsam aus den vier Bildern drei konkret ausformulierte Zielsätze ableiten konnten und andererseits die Teilnehmenden erstmals in „gemischten“ Grüppchen erste kleinere Schritte entwickeln ließen, wie sie diese Zukunft erreichen könnten. Diese Arbeit markierte das Ende des ersten Tages, und in der abschließenden Feedbackrunde wurde noch einmal deutlich, wie entlastend es für die Teilnehmenden einerseits war, keine Schuldigen suchen zu müssen und ‑angenehm- überraschend, wie hoch in vielen Fragen das Maß an Übereinstimmung zwischen den beiden Teams letztendlich war.
Den zweiten Klausurtag eine Woche später konnten wir dann dazu verwenden, weitere konkrete Schritte zur gemeinsamen Zukunft zu definieren und entsprechende konkrete Vereinbarungen zu treffen.
Mergen von Unternehmenskulturen
Ein Vorstand einer mittelgroßen Bank beauftragte uns, einen Konflikt zwischen vier Abteilungsleitern zu klären.
Dieser Konflikt zeigte sich dadurch, dass Emails bewusst zurückgehalten oder spitz formuliert wurden, gleichzeitig schwangen bei scheinbar sachlicher Beantwortung latent aggressive Untertöne mit. Ein kooperatives Miteinander auf der Führungsebene hatte stark abgenommen, es kam zu gegenseitigen Beschuldigungen, und Mitarbeiter*innen beschwerten sich zunehmend beim Vorstand über die Führungskräfte.
Zunächst führten wir mit dem Vorstand und den betroffenen Führungskräften Einzelgespräche, im Anschluss daran gestalteten und moderierten wir zwei Dialogmeetings im Ausmaß von jeweils 4 Stunden.
In diesem Rahmen waren die Beteiligten in der Lage, alte persönliche Verletzungen respektvoll anzusprechen, klar zu benennen, und letztendlich auszuräumen. Darüber hinaus wurde vereinbart, subtile und offene Einmischungen in die jeweils anderen Abteilungen zu unterlassen.
Alle beteiligten Führungskräfte berichteten wenige Wochen nach den beiden Dialogmeetings von einer deutlichen Entspannung und Verbesserung in der Zusammenarbeit. Und gleichzeitig spürten alle Beteiligten, dass noch „ganz grundlegend irgend etwas“ offen sei, konnten das aber nicht wirklich benennen.
So bearbeiteten wir mittels intuitiven Methoden (in dem Fall über eine Systemaufstellung) in einem dritten Meeting die ‑verborgene- Unternehmenskultur: Aus der Fusionierung zweier Unternehmen entstand vor 15 (!) Jahren das heutige Unternehmen. Zum damaligen Zeitpunkt wurde nur sehr oberflächlich darauf geachtet, die beiden doch sehr unterschiedlichen Kulturen miteinander zu verbinden, was dazu führte, dass beide Kulturen von den jeweiligen „Kulturträgern“ über die Jahre hinweg weitertradiert wurden. Und das wiederum spaltete auf subtiler, verborgener Ebene die Mitarbeiter*innen langfristig in zwei Lager.
Erst indem das im Rahmen dieser Sitzung transparent wurde und beide „Lager“ das jeweils andere würdigen konnten, kam Ruhe ins System – die auch bis heute anhält..